Strategie-Prozess im Bistum Speyer: Ressourcen werden neu verteilt
Speyer / Ludwigshafen. Wie lässt sich die Vision des Bistums Speyer („Segensort in der Welt sein“) konkret umsetzen? Wie können diese Segensorte gestaltet und langfristig finanziert werden? Um den Haushalt des Bistums mit den deutlich zurückgehenden Mitgliederzahlen und Einnahmen in Einklang zu bringen, müssen historisch gewachsene Einzelpositionen neu justiert werden. In monatelanger Strategiearbeit ist dafür ein Rahmenkonzept entwickelt worden, das in einer Diözesanversammlung am Wochenende (4. / 5. 11.) beraten, nachjustiert und mit einer klaren Mehrheit (73 Ja-Stimmen, sieben Enthaltungen, eine Gegenstimme) verabschiedet wurde.
Bischof Wiesemann: Votum ist klarer Auftrag für Zukunftsgestaltung
Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann zeigte sich sehr dankbar für dieses eindeutige Votum, für die konstruktive Zusammenarbeit, für Kritik, Klarheit und „die Ehrlichkeit beim Mit-Reden und Mit-Entscheiden“. In seinen Dank schloss er die Vorsitzende der Diözesanversammlung, Gabriele Kemper, als „wesentlichen Motor des gesamten Prozesses“ ein. Sie hatte die Diözesanversammlung mehrfach motiviert, neue Wege zu gehen und mutig zu sein: „Wir müssen uns bewegen – auch wenn Wandel selten ohne Zweifel kommt, ohne Durststrecken – oder gelegentliches Scheitern. Wir brauchen eine kräftige Portion Mut und die gemeinsame Bereitschaft zum Blick nach vorn.“ Gabriele Kemper erhielt zum Abschluss der eineinhalbtägigen Beratungen (im Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen) lang anhaltenden Applaus. Die Diözesanversammlung hat sich nach den Worten von Bischof Wiesemann, als „fähiges und kompetentes Organ für die Weiterentwicklung des Bistums“ erwiesen. Er betrachte das nun vorliegende Votum als klaren Auftrag für die weiteren Beratungen über den Bistumshalt.
Rahmenkonzept überarbeitet: Etat-Millionen für kreative Experimente
Der erste Entwurf des Rahmenkonzeptes war bereits im Oktober in einer Diözesanversammlung (DV) vorgestellt und in den zurückliegenden Wochen in vielen Gremien und Terminen intensiv diskutiert worden. Zudem hatten die Mitglieder des Gremiums die Möglichkeit, Optimierungsvorschläge zu machen. Diese Vorschläge sind ausgewertet worden – das Rahmenkonzept wurde überarbeitet. So enthält es jetzt einen zusätzlichen Innovationsetat in Höhe von rund einer Million Euro. Hinzu kommen die Personalkosten für Innovationsprojekte, die auf rund zwei Millionen Euro pro Jahr geschätzt werden. Auf vielen Ebenen suchen Haupt- und Ehrenamtliche nach neuen Wegen, wie und wo die Segensorte-Vision Wirklichkeit werden kann, damit sich die Kirche im Bistum Speyer auch als Werkstatt für kreative Experimente versteht. Der Innovationsetat soll dazu ermutigen, solche neuen Ideen zu erproben, damit Kirche in einer sich rasch verändernden Gesellschaft präsent bleibt. Gemeinschaften und Gemeinden, die am Wachstum von Kirche mitwirken wollen, sollen mehr Möglichkeit bekommen, neue Formen zu entwickeln und zu erproben. So will das Bistum „Menschen mit Gründergeist“ in den nächsten Jahren gezielt Ressourcen und Begleitung zur Verfügung stellen.
Neue Prioritäten: Votum als Grundlage für den Haushaltsplan 2023
Hintergrund: Prognosen zeigen, dass die Zahl der Katholikinnen und Katholiken bis zum Jahr 2060 um 54 Prozent zurückgehen könnte – durch demographische Faktoren, die geringere Zahl von Taufen sowie durch Kirchenaustritte. Im gleichen Zeitraum dürften die Kirchensteuereinnahmen um etwa 20 Prozent sinken. Deshalb muss die Ressourcenverteilung neu priorisiert werden: So werden veraltete Strukturen modernisiert, Ausgaben reduziert und zugleich neue Investitionen und Aktivitäten in Bereichen möglich, deren Bedeutung wächst. Das Votum der Diözesanversammlung wird nun an Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann und den Diözesansteuerrat weitergeleitet – als Grundlage für die Beratung und Entscheidung über den Haushaltplan 2023 sowie die weitere Finanzplanung. Der Diözesansteuerrat hat eine Einspar-Zielvorgabe von 30 Millionen Euro (pro Jahr) gemacht, die bis 2030 erreicht werden soll. Das von der Diözesanversammlung verabschiedete Rahmenkonzept empfiehlt Einsparungen vor allem in der Bistumsverwaltung, bei den Kirchengemeinden sowie bei Tagungshäusern, die künftig wirtschaftlicher geführt werden müssen.
Bistum will auch künftig zehn Millionen Euro für Kindertagesstätten bereitstellen
Der prozentuale Anteil der Zuschüsse an die Caritas- und -Fachverbände im Bistumsetat soll – trotz der Sparvorgaben – leicht steigen. Zudem signalisiert das Bistum die Bereitschaft, trotz sinkender Einnahmen auch in Zukunft zehn Millionen Euro im Jahr in Kindertagesstätten zu investieren – die Refinanzierung der darüber hinausgehenden Kosten müsste durch die Kommunen gesichert werden. Darüber wird derzeit in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland verhandelt. Wie aus dem von der Diözesanversammlung verabschiedeten Rahmenkonzept hervorgeht, sollen katholische Kindertagesstätten (Kitas) gestärkt werden und als Familienzentren wachsen. Das Bistum verantwortet derzeit 235 katholische Kitas mit 16.000 Plätzen – davon 34 Kitas mit 3.000 Plätzen im saarländischen Teil des Bistums. Je nach Verhandlungsergebnis könnte in den nächsten Jahren (bis 2030) eine geordnete Abgabe von Kita-Trägerschaften erforderlich werden.
Mehr Ökumene und Klimaschutz – Hilfen gegen Angst im Winter
Wie aus den bereits im Oktober verabschiedeten Strategischen Zielen hervorgeht, will das Bistum die Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantischen Landeskirche) vertiefen und sich zudem stärker im Bereich von Klimaschutz und Nachhaltigkeit (Klimaneutralität) engagieren.
Obschon die Ausgaben bis 2030 kräftig gesenkt werden müssen, will das Bistum Speyer auch künftig in der Lage sein, Menschen in Not zu helfen. So hatte das Bistum bereits im Oktober einen Sonderetat von zunächst rund eineinhalb Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um von der Energiepreiskrise und Armut besonders betroffene Menschen in der Pfalz und dem Saarland im bevorstehenden Winter zu unterstützen. Die Hilfen sollen über die acht Caritas-Zentren (Germersheim, Landau, Speyer, Neustadt an der Weinstraße, Ludwigshafen, Kaiserslautern, Pirmasens, Homburg) an Menschen in ganz besonderen Notlagen ausgezahlt werden. Die Aktion soll bis ins Frühjahr 2023 laufen – bei Bedarf will das Bistum diesen Sonderetat weiter aufstocken.
Die Diözesanversammlung hat die Aufgabe, die Themen und Anliegen der verschiedenen diözesanen Gremien zusammenzuführen und den Bischof zu beraten. Aktuell gehören der Diözesanversammlung 116 stimmberechtigte Mitglieder an. Im Sinn des Kirchenrechts nimmt die Diözesanversammlung zugleich die Aufgaben eines Diözesanpastoralrates für das Bistum Speyer wahr.
Fotos: Klaus Landry