Wegen unklarer Verfahrensfragen wird eine Entscheidung auf die nächste Diözesanversammlung vertagt / Kriterien für Strategieprozess wurden vorgestellt und beraten
Speyer. Die Frauenförderung und der Strategieprozess im Bistum Speyer waren die beiden zentralen Themen der Diözesanversammlung, die am 19. Februar coronabedingt erneut in Form einer Videokonferenz tagen musste.
Lisi Maier: Geschlechtergerechtigkeit kann man nur zusammen erreichen
Eingeleitet wurde das Thema Frauenförderung durch ein Impulsreferat unter der Überschrift „Frauenförderung. Ein Gewinn für alle“ von Lisi Maier, der Direktorin der Bundestiftung Gleichstellung. Darin stellte die ehemalige Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) anhand verschiedener wissenschaftlicher Studien heraus, dass sich die Einführung einer Frauenquote in Unternehmen positiv auswirke. Erfolge seien nachhaltiger, die Profitabilität steige, die Entscheidungsfindung werde verbessert, Kundenbindung und Mitarbeiter/innen-Zufriedenheit wüchsen. „Diese Ergebnisse lassen sich auch auf die Kirche übertragen“, so Lisi Maier. Es habe sich gezeigt, dass ohne Quote, nur mit einer Selbstverpflichtung, sich an der Verteilung der Leitungsposten nicht viel ändere. In den meisten deutschen Börsenunternehmen werde immer noch nach dem „Thomaskreislauf“ verfahren, bei dem männliche Vorstandsmitglieder freie Leitungsposten am liebsten durch „Spiegelbilder“ ihrer selbst ersetzten. Quote bedeute nicht, Männer durch Frauen zu ersetzen oder umgekehrt, sondern eine Vergabe der Stellen nach Kompetenz, stellte Maier klar. Um Frauen in Leitungsämtern zu fördern, brauche es neben Mentoringprogrammen auch gesetzliche, fest verankerte Regelungen. Als Beispiel nannte sie das zweite Führungspositionengesetz, das für die Privatwirtschaft, für Bundesunternehmen und den Öffentlichen Dienst Ouotenregelungen vorsieht. Meier wertete es als gutes Zeichen, dass der Antrag zur Frauenförderung im Bistum von einer Gruppe von Frauen und Männern gemeinsam gestellt wurde. „Geschlechtergerechtigkeit kann man nur zusammen erreichen“, so die Direktorin der Bundestiftung Gleichstellung.
Frauenquote auf den Leitungsebenen im Bistum liegt aktuell bei 12 Prozent
In ihrer Begründung zum Antrag stellten als Vertreterinnen der Antragsteller/innen Nicole Christmann und Katharina Goldinger Zahlen und Fakten zur derzeitigen Verteilung von Frauen in Leitungspositionen im Bistum Speyer vor. Deutlich wurde dabei, dass die Frauenquote auf den Leitungsebenen im Bistum bei nur 12 Prozent liegt. In der Präsentation wurden außerdem erste mögliche Inhalte eines Frauenförderplans vorgestellt und auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass das Thema durch eine Gleichstellungsbeauftragte und einen Ausschuss der Diözesanversammlung befördert wird. Als Grundlage für ihren Antrag benannten die beiden Frauen das in der Bistumsvision formulierte Ziel, Segensort zu sein, zu dem als eines der Wertefundamente der Einsatz für Gleichberechtigung und gegen jede Form von Diskriminierung gehört. Außerdem stellten sie Bezüge zu den im Rahmen des Synodalen Weges angestoßenen Reformen her.
Ziel des Antrags: 35 Prozent Frauen in Leitungspositionen bis zum Jahr 2030
Der Antrag, der von sieben Mitgliedern der Diözesanversammlung gestellt worden war, zielte darauf ab, dass sich das Bistum Speyer zur Erreichung einer Frauenquote von mindestens 35 Prozent auf den Leitungsebenen des Bischöflichen Ordinariats, der Regionalverwaltungen, der Pfarreien und der pfarrlichen und diözesanen Finanzverwaltung bis zum Jahr 2030 verpflichtet. Für das Bischöfliche Ordinariat und das Pastoralseminar solle zudem eine paritätisch besetzte Doppelspitze gebildet werden, so die Antragsteller/innen.
Bischof Wiesemann: Stehe hinter dem Antrag zur Frauenförderung
Die Beratung des Antrags zeigte eine hohe Zustimmung zum Anliegen des Antrags, wurde jedoch durch unklare Verfahrensfragen erschwert. Im Ergebnis stimmte eine knappe Mehrheit der Mitglieder der Diözesanversammlung für eine Vertagung der Entscheidung bis zur nächsten Diözesanversammlung. Bis dahin sollen einzelne Punkte des Antrags noch geklärt werden.
„Ich stehe hinter dem Antrag zur Frauenförderung“, erklärte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in einer persönlichen Erklärung im Anschluss an das Abstimmungsergebnis. „Ich setze mich dafür ein, dass wir die Frage der Frauenförderung konzentriert angehen und eine Frauenquote für Leitungspositionen im Bistum einführen.“ Er wolle die Frauenförderung „zur Chefsache“ machen. „Dafür verbürge ich mich persönlich.“ Er lud die Antragsteller/innen noch in der Sitzung zu einem persönlichen Gespräch ein, um möglichst schnell Lösungen für offene Fragen zu finden. „Ich bin optimistisch, dass wir das gut miteinander klären können und bei der nächsten Diözesanversammlung zu einer Entscheidung kommen“, so Bischof Wiesemann.
Zehn Kriterien sind inhaltliche Orientierung für den Strategieprozess
Beim Thema Strategieprozess stand die Beratung der zehn Kriterien im Mittelpunkt, die bei der Einschätzung der Handlungsfelder und Projekte des Bistums zur Anwendung kommen sollen. Sie wurden von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Felix Goldinger aus der Vision des Bistums abgeleitet. „Die Vision ist die entscheidende inhaltliche Orientierung für die Weiterentwicklung des Bistums“, machte Goldinger deutlich. Jedes Kriterium ist mit einer Reihe von Prüffragen hinterlegt, die dabei helfen sollen, konkrete Entscheidungen zu treffen. Die zehn Kriterien lauten: Gottesbegegnung und Spiritualität, Beziehungsräume, Sendung, Schöpfungsverantwortung, Prävention von Machtmissbrauch, Lebenswelt- und Sozialraumbezug, gesellschaftliche Relevanz, Teilhabe, Ökumene und Kommunikation.
In Arbeitsgruppen berieten die Mitglieder den ersten Entwurf der Kriterien, der sich aktuell noch in Entwicklung befindet, wie Jutta Loke vom Beratungsinstitut „2denare“ deutlich machte. Die Rückmeldungen aus der Diözesanversammlung zeigten ein hohes Maß an Zustimmung, gaben aber auch Anregungen für die Weiterentwicklung. So wurde unter anderem vorgeschlagen, über eine Gewichtung der Kriterien nachzudenken und neben den finanziellen Ressourcen auch stärker die personellen Ressourcen in den Blick zu nehmen. Über die digitale Plattform „Communicare“ soll neben der vertikalen Kommunikation die horizontale Kommunikation verstärkt werden.
Eingaben zu Weltsynode zeigen Sehnsucht nach Veränderung
Ein weiteres Thema war der Beitrag des Bistums Speyer für die Weltsynode. Mehreren hundert Personen, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gruppen aus Gemeindeausschüssen und Verbänden, kirchlichen Einrichtungen, Schulklassen und dem Katholikenrat haben bis Ende Januar den Online-Fragebogen zur Vorbereitung der Weltsynode 2023 genutzt, wie Thomas Stubenrauch und Domkapitular Franz Vogelgesang von der vierköpfigen Koordinationsgruppe die Diözesanversammlung informierten. Papst Franziskus hat unter dem Leitwort „Für eine Synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“ im Oktober 2021 den Prozess zur Vorbereitung der für 2023 geplanten Bischofssynode in Rom eröffnet. In den insgesamt rund 65 Rückmeldungen zu den drei Themenbereichen des Online-Fragebogens „Gemeinschaft“, „Teilhabe“, „Sendung“ zeige sich eine große inhaltliche Übereinstimmung, wie Stubenrauch berichtete. Deutlich seien eine große Befürwortung des synodalen Weges, eine Sehnsucht nach Veränderung und die Zustimmung zu der Vision im Bistum. Die Rückmeldungen enthielten positive wie negative Erfahrungen mit und in Kirche, eine Betonnung der zentralen Bedeutung von Wertschätzung und Begegnung auf Augenhöhe, den Wunsch nach Kooperation mit anderen Kirchen und Dialogpartnern und nach einer Ämtervergabe gemäß persönlicher Befähigung.
Bis Mitte März 2022 plant die Arbeitsgruppe eine erste Fassung der Rückmeldung aus dem Bistum für die Synode anhand der Ergebnisse der Fragebogenaktion und der Erfahrungen konkreter Beteiligungsmöglichkeiten im Bistum Speyer, wie etwa der diözesanen Foren, der Diözesanversammlung oder aus dem Visionsprozess Segensorte. Der Entwurf soll dann in einem transparenten Verfahren und im Hauptausschuss der Diözesanversammlung weiter beraten werden. Die Endfassung wird an die Deutschen Bischofskonferenz weitergeleitet, die diese dann mit einer eigenen Stellungnahme nach Rom weitergebe.
Diözesanversammlung bildet drei Ausschüsse
Wie die Vorsitzende Gaby Kemper einbrachte, sollen drei Ausschüsse der Diözesanversammlung gebildet werden, und zwar zu den Themen „Ehrenamt“, „Klimagerechtigkeit“ und „Umsetzung der Vision“. Wer Interesse an einer Mitarbeit hat, ist eingeladen, sich bis Ende März per E-Mail an die Adresse dv-vorsitz@bistum-speyer.de zu melden.
Als Vertreter der Evangelischen Kirche der Pfalz konnte die Vorsitzende der Diözesanversammlung, Gabriele Kemper, Synodalpräsident Hermann Lorenz und Pfarrerin und Ökumenereferentin Anja Behrens begrüßen. Außerdem hieß sie die durch Briefwahl neu hinzugewählten Mitglieder willkommen. Gemäß der Satzung berief der Bischof drei weitere Personen in die Versammlung: Prof. Dr. Elzbieta Adamiak, die an der Universität Landau Katholische Theologie lehrt, Ute Eichenlaub, ehrenamtlich in vielen Bereich engagiert, und Bernd Held, den Sprecher des Betroffenenbeirates. Bischof Wiesemann hat in einem Impuls zur aktuellen Situation in der Kirche betont, dass er trotz der Krise, in der sich die Kirche befinde, auf die Kraft des Heiligen Geistes und die Fähigkeit zur gemeinsamen Erneuerung vertraue. Mit der Diözesanversammlung habe das Bistum ein Organ gebildet, wie es auch im Synodalen Weg befürwortet werde. Das beinhalte auch die Selbstverpflichtung des Bischofs, die Beschlüsse der Versammlung umzusetzen und „gemeinsam mit Ihnen mein Bischofsamt auszuführen.“
Hintergrund: Ziel und Zusammensetzung der Diözesanversammlung
Die Diözesanversammlung hat die Aufgabe, die Themen und Anliegen der verschiedenen diözesanen Gremien zusammenzuführen und den Bischof zu beraten. Sie setzt sich zusammen aus den Mitgliedern des Allgemeinen Geistlichen Rates, des Priesterrates und des Katholikenrates sowie Vertreterinnen und Vertreter der Ständigen Diakone, der Pastoral- und Gemeindereferent/innen, der Ordensleute, des Diözesansteuerrates und des Caritasverbandes sowie hinzugewählten Mitgliedern. Aktuell gehören der Diözesanversammlung 117 stimmberechtigte Mitglieder an. Im Sinn des Kirchenrechts nimmt die Diözesanversammlung zugleich die Aufgaben eines Diözesanpastoralrates für das Bistum Speyer wahr.
Weitere Informationen:
Präsentationen auf der Diözesanversammlung:
„Bericht aus der Arbeitsgruppe Weltsynode“