Kriterien sind der Kompass für den Strategieprozess

Speyer. Im Strategieprozess des Bistums Speyer sind die Kriterien, die aus der Vision des Bistums kommen, der inhaltliche Kompass. Entwickelt wurden sie von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Felix Goldinger. Er erläutert im Gespräch die Entstehung und die Bedeutung der Kriterien für den Strategieprozess.

Bei der Diözesanversammlung am 19. Februar wurden die Kriterien für den Strategieprozess des Bistums vorgestellt. Welche Rolle spielen diese Kriterien für die Beratungen und die Entscheidungen im Strategieprozess?

Felix Goldinger: Die Kriterien sind aus unserer gemeinsamen Vision heraus entstanden. Mit der Vision haben wir ein Bild von Kirche entwickelt, auf das hin wir uns in den nächsten Jahren entwickeln wollen: Wir wollen Segensorte gestalten. Damit das gelingt, wurden aus der zentralen Formulierung, dem Wertefundament und den sechs Konkretionen der Vision Kriterien entwickelt, die im Strategieprozess dabei helfen sollen, Entscheidungen auf die durch die Vision gesetzten Ziele hin zu treffen. Die Kriterien dienen also als Begründung dafür, ob eine Entscheidung der gemeinsame Vision entspricht oder nicht.

Wer hat die Kriterien entwickelt? Wie wurde dabei vorgegangen?

Felix Goldinger: Die Kriterien wurden von der Teilprojektgruppe Inhalte entwickelt. Das ist ein Team aus einem Priester, Laientheolog:innen, die in unterschiedlichen Bereichen der Pastoral im Bistum eingesetzt sind und einem Sozialpädagogen.

In einem ersten Schritt haben wir die Vision Satz für Satz in operationalisierbare Kernaussagen und Zielformulierungen übertragen. In einem weiteren Schritt haben wir dieses Grundgerüst auf Überschneidungen hin geprüft und in einem Clusterverfahren Inhaltsbereiche zusammengefasst. Der Entwurf wurde dann auf der Diözesanversammlung diskutiert und entsprechende Änderungen auf Basis der Rückmeldungen der Versammlung durch die Teilprojektgruppe eingearbeitet. Auch Rückmeldungen aus dem Lenkungskreis wurden eingearbeitet.

War es möglich, die Kriterien eins zu eins aus der Vision abzuleiten, oder wurden mit den Kriterien nochmal neue Festlegungen getroffen, die über die Vision hinausgehen?

Felix Goldinger: Nein, die Kriterien ergeben sich ganz aus unserer gemeinsamen Vision. Zum Teil ist es möglich, dabei auch auf andere strategische Überlegungen zu verweisen – etwa das hervorragende Qualitätsmanagement im Bereich der Kindertagesstätten. Neue Festlegungen würden ja über die Vision hinausgehen – und das wiederum würde der partizipativen Grundstruktur des Visionsprozesses nicht gerecht werden. Wir haben auch beim Einarbeiten der Rückmeldungen darauf geachtet, dass die Kriterien nahe an der Vision bleiben und keine inhaltliche Weitung oder Neubewertung entsteht.

Es liegen jetzt insgesamt zehn Kriterien auf dem Tisch. Nehmen wir mal ein Beispiel: Das vierte Kriterium behandelt das Thema „Schöpfungsverantwortung“. Was wird in diesem Kriterium konkret ausgesagt?

Felix Goldinger: Das Kriterium „Schöpfungsverantwortung“ ist eines von zehn Kriterien und kann nur gemeinsam mit den übrigen neun Kriterien zur Bewertung einer Handlungsoption herangezogen werden. Dafür ist zu prüfen, inwieweit die konkrete Handlungsoption sich in Übereinstimmung mit folgender Grundaussage bringen lässt: „Bewahrung der Lebensgrundlagen, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind grundlegend berücksichtigt.“ Dieses Kriterium besagt also, dass eine Handlungsoption auf die Auswirkungen auf die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen, die Frage der sozialen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit hin zu prüfen und zu bewerten ist. Das ist ein großes Thema und wirkt sich in vielen Zusammenhängen aus. Deshalb haben wir Prüffragen entwickelt, die bei der Beurteilung helfen sollen – zum Beispiel ob hohe Standards der Zertifizierung und Beschaffung von Ressourcen erfüllt werden und den Klimaschutzzielen des Bistums entsprochen wird.

Wie geht das jetzt weiter mit den Kriterien? Wer wird konkret wann und wie damit arbeiten?

Felix Goldinger: Die Kriterien sind zunächst ein Arbeitsmittel für den Lenkungskreis. Neben den Zahlen zum Haushalt, die die finanziellen Herausforderungen beschreiben, dienen die Kriterien der inhaltlichen und strategischen Bewertung. In der Vision haben wir ein Zukunfts-Bild entwickelt – die Kriterien stellen nun fest, woran sich diese künftige Kirche messen lassen will. In konkreten  Entscheidungssituationen helfen die Kriterien dem Lenkungskreis dabei, die inhaltliche Ausrichtung des Bistums Speyer- also das Ziel der Sparmaßnahmen- im Blick zu haben. Darüber hinaus können die Kriterien aber auch von Pfarreien, Verbänden, Schulen, Büchereien, Kitas und anderen Orten von Kirche genutzt werden, um den jeweiligen Bereich auf Umsetzung der Vision hin zu prüfen.

Manche vertreten die Ansicht, dass sich letztlich jedes kirchliche Angebot auf irgendeine Weise mit der Vision des Bistums in Verbindung bringen lässt. Sie zweifeln daran, dass sich anhand der Kriterien aus der Vision wirkliche Unterschiede erkennen lassen. Sehen Sie das auch so?

Felix Goldinger: Diese Ansicht kann ich keineswegs teilen – denn sie würde ja besagen, dass wir ein völlig beliebiges Bild von Kirche in unserer Vision beschreiben. Dem ist nicht so. Wir wollen Segensorte gestalten, „damit die Kirche im Bistum Speyer mehr zum Zuhause wird, ihre Tür weit offen hält, sich als Tischgemeinschaft verstehen kann, die über sich hinaus verweist, Sorge trägt für Gottes Garten, sich als Werkstatt versteht, die Neues hervorbringt und als Raum der Stille und der Gottesbegegnung erfahren werden kann.“ Damit das nicht nur schöne Worte bleiben, wird sich vieles in unserem Bistum sehr konkret ändern müssen.

Die Kriterien-Gruppe hat deshalb auch strategische Ziele aus der Vision heraus entwickelt und dem Lenkungskreis und der Diözesanversammlung vorgelegt. Hier wird sehr deutlich, worum es in den kommenden Jahren gehen muss, wenn wir unsere Vision ernst nehmen. Es geht um eine innovative sozialräumliche Pastoral, vorbildhaften Klimaschutz, Anteil und Mitwirkung an gesellschaftlichen Diskursen, mehr Ökumene, echte Teilhabe, Prävention jeder Art von Machtmissbrauch, gelungener Außen- und Innen-Kommunikation. Diese strategischen Ziele sind noch nicht verabschiedet. Ich hoffe aber, dass sie von der Diözesanversammlung zusammen mit Bischof Wiesemann als Ziele des Strategieprozesses eingeführt werden. Durch sie wird aus unserer Vision eine sehr konkrete Zielbeschreibung. Sie verdeutlichen, warum es sich lohnt, woraufhin wir eigentlich sparen und wie wir Kirche im Bistum Speyer umgestalten wollen.

Die Kriterien und strategischen Ziele in der aktuellen Version:

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